Dienstag, 29. September 2009

Stasi bespitzelte den Papst (J. Ratzinger)


Wie die Bild am Sonntag berichtete, suchten die Stasi-Agenten unter anderem vergeblich nach belastenden Dokumenten aus der Jugend des heutigen Papstes Benedikt XVI. Während des Dritten Reiches.Das Ministerium für Staatssicherheit setzte demnach seit 1974 mindestens acht Agenten der DDR-Auslandsspionage für die Bespitzelung Ratzingers ein. Nur von zweien sei die Identität bislang bekannt. Ratzinger sei von der Stasi als einer der schärfsten Gegner des Kommunismus betrachtet worden, hieß es weiter. Auch die Freundschaft des einstigen Erzbischofs von München-Freising mit dem späteren Papst Johannes Paul II., Karol Woityla, habe dabei eine Rolle gespielt. Dass die Stasi bestens informiert war, belegt demnach die Tatsache, dass ihr Spitzel mit dem Decknamen „IMV Georg“ 1979 die zwei Jahre später erfolgte Berufung Ratzingers zum Vorsitzenden der Glaubenskongregation richtig voraussagte. Die Agenten hätten im Anschluss auch die herausragende Rolle des deutschen Kardinals im Vatikan erkannt. „Ratzinger gilt im Vatikan nach dem Papst und Staatssekretär Casarolli als derzeit einflussreichster Politiker und führender Ideologe“, hieß es demnach in den 80er Jahren in seiner Stasi-Karteikarte. Im Februar dieses Jahres hatte Bild am Sonntag beantragt, Einsicht in die Akten über „Stasi-Einflussnahme auf die Kirchen am Beispiel der Person Ratzingers“ nehmen zu dürfen. Mitarbeiter der Birthler-Behörde fanden verschiedene Dokumente.


Stasiopfer berichten - Der verratene "Sportverräter" - Jörg Berger


Der junge Jörg Berger will sich nicht gängeln lassen. Privat führt er Mitte der 70er Jahre ein unstetes Leben mit wechselnden Frauenbekanntschaften. In Freundschaft hat er sich von seiner Frau getrennt. Für die Stasi wird er damit jedoch zum Unsicherheitsfaktor. Schließlich bekleidet er als Trainer der DDR-Juniorennationalmannschaft einen verantwortungsvollen Posten, der üblicherweise mit Westreisen verbunden ist. Berger aber darf auf Weisung der Partei nicht mehr reisen. Die Anwerbung als Inoffizieller Mitarbeiter, die ihm vom Ministerium für Staatssicherheit als vermeintlicher Ausweg angeboten wird, lehnt er ab. "Man hat mich danach unter Druck gesetzt, dass ich wieder heiraten sollte", erinnert sich Berger. "Ich war in einer Situation, wo ich gesagt habe: ’So kannst du nicht die nächsten dreißig Jahre weiterleben!’ Ich wollte mein Leben selbst in die Hand nehmen." Völlig überraschend erhält Berger 1979 die Erlaubnis, die Juniorennationalmannschaft nach Jugoslawien zu begleiten. Sofort steht für ihn fest: Von dieser Reise wird er nicht in die DDR zurückkehren. Am schwersten fällt der Abschied von Ron, seinem achtjährigen Sohn. Wird er ihn jemals wiedersehen? Ein letztes Mal besucht Jörg Berger seine Eltern in der Leipziger Nordstadt, nur der Mutter erzählt er von seinem Vorhaben, heimlich auf dem Dachboden. Beide weinen. Weil die Mutter als Rentnerin schon öfters im Westen war, gibt sie dem Sohn einen Ratschlag mit auf den Weg: "Glaube nicht, dass die da drüben auf dich warten." Als der Zug aus Belgrad die österreichische Grenze überquert, lehnt sich Berger aus dem Fenster und schreit seine Freude heraus. Seine Flucht ist geglückt. Doch schon kurz nach der Ankunft in der Bundesrepublik folgt die Ernüchterung. Der Deutsche Fußballbund (DFB) gibt sich im Fall Berger reserviert. Auf keinen Fall möchte der größte Sportverband der Bundesrepublik in den Verdacht geraten, als Fluchthilfeorganisation zu agieren und damit die ohnehin angespannten deutsch-deutschen Sportbeziehungen weiter zu belasten. Der erfolgreiche frühere DDR-Auswahltrainer soll außerdem erst mal seinen Trainerschein machen, fordert der DFB herablassend. Trotz allem macht er bald Karriere in der Bundesliga, immer häufiger taucht sein Name in der Presse auf.

Für die Staatssicherheit ist Bergers Erfolg eine Provokation. Nach ihrem Verständnis ist er ein "Sportverräter", ein Verbrecher, der seine sozialistische Heimat im Stich gelassen hat. Berger fühlt sich beobachtet, er spürt, dass ihn die Stasi auch im Westen verfolgt. Kurz nach seiner Flucht wird er auf offener Straße angesprochen. Die beiden Fremden sind hauptamtliche Mitarbeiter des MfS. Sie fordern Berger auf, nach Schweden zu reisen, dort würde seine Mutter auf ihn warten. Doch Berger wittert die Falle: "Ich konnte mir nicht vorstellen, dass meine Mutter das wollte. Heute weiß ich, wenn ich in Schweden gewesen wäre, hätte man versucht, mich in die DDR zurückzuführen." Gewissheit über das Maß der Überwachung erhält Berger erst nach dem Mauerfall beim Einblick in seine Stasiakte. Mindestens einundzwanzig Inoffizielle Mitarbeiter hatte die Mielke-Behörde auf ihn angesetzt, davon mehr als die Hälfte im Westen. Zwei seiner engsten Freunde haben ihn über Jahre ausspioniert, darunter Bernd Stange, der als treuer Informationslieferant des MfS in den 80er Jahren bis zum Nationaltrainer der DDR aufsteigt. Nach der Wende ist niemand der alten SED-Führungskader auf Berger zugekommen. Auch Wolfgang Riedel, der 1979 die Delegation in Jugoslawien leitete, hat sich nie bei ihm entschuldigt. Wie die Stasiakte des Buchautors belegt, hatte sich Riedel unmittelbar nach der Flucht an Bergers Fersen geheftet, mit dem Ziel, ihn noch vor der Grenze abzufangen. Nach dem Mauerfall macht Riedel Karriere beim DFB. Als Schatzmeister trägt er bis 2004 die Verantwortung für die Finanzen des Nordostdeutschen Fußballverbands. Für seine besonderen Verdienste wird ihm die DFB-Ehrennadel in Gold verliehen. Auch einen altbekannten DDR-Dopingarzt hat Berger nach dem Mauerfall wiedergetroffen: Dr. Hans Jörg Eißmann, Anfang der 90er Jahre tätig als Dopingkontrolleur im Auftrag des DFB. Berger wirft ihn hochkant aus der Kabine. Bis heute hat es der DFB versäumt, seine DDR-Vergangenheit aufzuarbeiten. Ein Defizit, das Bergers verdienstvolle Autobiografie schonungslos benennt.

(Quelle:Zeit.online.de)


Sonntag, 27. September 2009

Stasi-Mitarbeiter in Landesverwaltungen



Glauben sie immer noch, das hat es nie gegeben?

Zum Anschauen der Dokumente einfach drauf klicken!























Das hier vorliegende Dokument zeugt von den Methoden der Stasi, nicht staatskonforme Bürger mit fristlosen Kündigungen und den damit verbundenen sozialen Folgen zu schikanieren.



















Diese Bescheinigung einer Haftanstalt dokumentiert die Untersuchungshaft für Oppositionelle und politisch inkorrekte Bürger. Genaue Berichtführung über Inhaftierte zur Weitergabe an auswertende Stellen waren in Stasi-Knästen an der Tagesordnung.


























Ein Haftbefehl gegen eine Person, die nur aufgrund von Aussagen anderer Inhaftierter, ein Verlassen des DDR-Territoriums, mit Hilfe von Schleuserbanden geplant haben soll. Haftbefehle aufgrund (meist unter Folter) erzwungener Geständnisse, die in ihrer Folge zu langjähriger Haft ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt endeten. Viele dieser Personen verschwanden von einem Tag auf den anderen und tauchten, wenn überhaupt, viele Jahre später psychisch und physisch geschädigt wieder auf.

























Ein Durchsuchungsbericht nach einer stattgefundenen Wohnungsdurchsuchung, die ohne das Wissen der betroffenen Person stattfanden. Diese waren in der DDR an der Tagesordnung. Wie diese Stasi-Wohnungsdurchsuchungen aussehen, können sie in der Rubrik "Video" ansehen.

(Fotos von: www.fiolka.myblog.de)

Sonntag, 20. September 2009

Der letzte Gefangene der Stasi




Uwe Hädrich gehörte zu den höchsten Wirtschaftsfunktionären der DDR. Bis zum September 1989. Da wurde er zum politischen Gefangenen und saß auch dann noch in Stasi-Haft, als die Mauer längst gefallen war und es das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gar nicht mehr gab. Das ist bald 20 Jahre her. Mehr als 7500 Seiten stark ist Hädrichs Stasi-Akte in der Gauck-Behörde. Es ist eine Geschichte, die ahnen lässt, wie perfekt das System der Stasi mit Bespitzelung, Isolation und dem Bruch aller Menschenrechte dafür sorgte, dass denjenigen, die die DDR zu ihren Gegnern erklärt hatte, wirklich keine Chance blieb. Uwe Hädrich erscheint alles so, als sei es gestern geschehen. Es zittert seine Stimme, es zittern seine Hände, als er in einem Hotel in Berlin-Prenzlauer Berg von seinem Fluchtversuch aus der DDR und dem anschließenden Martyrium im streng geheimen MfS-Gefängnis in Hohenschönhausen berichtet.

Vielleicht war es eine Art Widerstands-Gen, das in der Familie Hädrich weitergegeben wurde und dazu führte, dass er trotz aller seiner Privilegien das Leben in der DDR irgendwann nicht mehr ertragen konnte. Uwe Hädrichs Schwiegervater Robert Havlik, ein Metzger aus dem Sudetenland, hatte im Konzentrationslager Dachau in den vierziger Jahren den Sozialdemokraten Kurt Schumacher kennengelernt. Zehn Jahre später, er war inzwischen Volkspolizist der DDR, sagte Havlik an einem Stammtisch und in bitterer Bier-Laune: „Kurt Schumacher ist der einzige wirkliche Arbeiterführer, Pieck und Grotewohl sind es nicht.“ Die Stasi hörte mit, und Uwe Hädrichs Schwiegervater wurde wegen dieses einen Satzes zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Das war 1955. 26 Jahre später ist Uwe Hädrich ganz oben im System der DDR angekommen, als stellvertretender Generaldirektor des volkseigenen Einzelhandels HO. Derselbe Staat, der seinen Schwiegervater so unmenschlich verfolgt hatte, verschaffte ihm eine Bilderbuchkarriere, inklusive Abitur, Studium und Aufstieg. Er, der Sohn einer verwitweten Verkäuferin, war nun Chef eines Unternehmens mit 213000 Mitarbeitern. Er hatte alles, was dieser Staat seinen Musterbürgern bot: eine moderne Wohnung in Berlin-Marzahn, ein Auto und die Reiseerlaubnis in das sozialistische Ausland. Er hatte auch eine glückliche Ehe und zwei „schöne Kinder“, wie er sagt. Andere hätten es dabei belassen.

Betrug am ganzen Volk

Nicht so Uwe Hädrich. Er war mit der Tochter des Mannes verheiratet, der in der DDR für einen Satz über Schumacher drei Jahre ins Zuchthaus gewandert war. Irgendwo ganz tief in seinem Herzen hegte er ein tiefes Misstrauen gegen diesen Staat. Als Hädrichs im Jahr 1975 den Text der KSZE-Schlussakte im Neuen Deutschland lasen, fiel ihnen auf, dass dort alle Staaten, die der KSZE, dem neuen europäischen Menschenrechtspakt, beigetreten waren, ihren Bürgern Reisefreiheit und die freie Wahl des Wohnortes zusicherten. Auch die DDR war der KSZE beigetreten

Der Gedanke an die Reisefreiheit und die freie Wahl des Wohnortes ließ das Ehepaar seitdem nicht mehr los. Als die DDR schließlich ihren Bürgern erlaubte, nahe Verwandte in Westdeutschland zu hohen Familienfesten zu besuchen, fuhr Frau Hädrich zur Verwandtschaft nach Bayern. Was sie dort sah, gab schließlich den Ausschlag. Denn nichts war so, wie die DDR-Propaganda ihren Bürgern glauben machen wollte: Niemand war arbeitslos, alle hatten Geld, und viele hatten Häuser und eine perfekte Krankenkasse. In den Geschäften gab es alles, vieles zu erschwinglichen Preisen. Man konnte lesen, was man wollte, und sagen, was man dachte. „Da wussten wir“, sagt Uwe Hädrich, „dass wir vom Staat DDR in einer Art und Weise beschissen worden waren, wie man es sich schlimmer nicht vorstellen konnte.“ Er blickt auf, und in seinen Augen steht immer noch das Entsetzen über diesen Betrug an einem ganzen Volk.

Von Leuchtspurmunition gestoppt

Am 1.Mai 1989 ist es so weit. Die Familie hat sich eine „ganz normale Urlaubsreise ans Schwarze Meer“ genehmigen lassen, zuvor per Briefwahl noch ganz korrekt SED gewählt, steigt in ihren Wartburg und fährt in Ungarn direkt auf die Grenze zu. Es ist dunkel, Leuchtspurmunition stoppt die Hädrichs. Grenzer verhören sie, glauben ihnen aber, dass sie sich nur verfahren haben und schickten sie einfach zurück. Die Familie steigt in Budapest ab, und aus einer Telefonzelle ruft Uwe Hädrich die Deutsche Botschaft in der ungarischen Hauptstadt an: „Ich bin ein hoher Wirtschaftsfunktionär der DDR und möchte mit Ihnen reden…“ Die Familie wird empfangen und hätte nun in der Botschaft bleiben können, die Ausreise in den Westen allerdings kann man ihr damals nicht garantieren. Ein Leben auf dem Botschaftsgelände, Zukunft ungewiss? Das wollte die Familie nicht. Also wurde der Wartburg wieder angelassen, und zurück ging es nach Berlin.

Quelle:focus.online


Freitag, 18. September 2009

Die Toten an der Berliner Mauer und den DDR Grenzen


Vom Tag des Mauerbaus am 13. August 1961 bis zum Fall der Berliner Mauer am 09. November 1989 kamen an der Berliner Mauer bei dem Versuch, die Grenzanlagen zu überwinden, mindestens 98 Personen ums Leben. 8 Grenzsoldaten der DDR wurden während des Dienstes entweder von ihren Kameraden oder von Flüchtenden bzw. Fluchthelfern erschossen. Weiterhin kamen 27 Personen ohne Fluchtabsicht ums Leben (1).






An der innerdeutschen Grenze und an der Seegrenze (Ostsee) wurden nach dem 13. August 1961 mindestens 50 Personen gewaltsam durch Schusswaffen oder andere Gewaltakte der Grenztruppen getötet, 33 Personen kamen durch Erd- oder Splitterminen ums Leben (2).

  • Eines der ersten Opfer der Berliner Mauer war Ida Siekmann, die aus einem Fenster in der Bernauer am 22. August 1961 sprang und ihren Verletzungen erlag.
  • Wenige Tage später wurde am 24. August 1961 der erste Flüchtling, Günter Liftin, erschossen.
  • Der erste nach dem Mauerbau getötete DDR-Grenzsoldat Jörgen Schmidtchen wurde am 18.04.1962 von zwei fahnenflüchtigen Kameraden erschossen.
  • Unweit des Checkpoint Charlies wurde am 17.08.1962 Peter Fechter erschossen, der vor den Augen der Alliierten und der Westberliner Polizei auf dem Gebiet der DDR verblutete.
  • Chris Gueffroy versuchte im Alter von 20 Jahren aus der DDR zu fliehen und wurde am 05. Februar 1989 erschossen.

Flüchtlinge, die DDR-Grenzsoldaten erschossen hatten und denen die Flucht gelungen war, wurden bereits vor 1989 in der Bundesrepublik zu meist geringen Haftstrafen verurteilt. DDR-Grenzsoldaten, die von der Schusswaffe Gebrauch machten und Flüchtlinge erschossen hatten, wurden nach der Wiedervereinigung zu Haftstrafen oder auf Bewährung verurteilt.Aber auch Verantwortliche der DDR-Führung (Egon Krenz und andere) sowie Offiziere der Grenztruppen wurden wegen "Totschlags und Mitverantwortung für das Grenzregime der DDR" verurteilt.

Die Zahlenangaben zu den Toten an der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze sowie der Grenze an der Ostsee sind je nach Quelle sehr unterschiedlich und schwanken im Laufe der Jahre nach der deutschen Einheit. Werner Filmer und Heribert Schwan recherchierten als erste Journalisten im Dezember 1990 im Strausberger Militärarchiv und veröffentlichten 1991 in dem Buch "Opfer der Mauer" Einzelschicksale, Dokumente und eine Liste von 216 getöteten Personen (3), die an den Grenzen der DDR zum westlichen Ausland ums Leben gekommen sind.

Die Berliner Staatsanwaltschaft gibt 169 Todesfälle durch Gewaltakte für die Zeit vom 13.08.1961 bis zum 09.11.1989 an der DDR-Grenze einschließlich Berlins an. (2)

Das Museum Haus am Checkpoint Charlie gab auf der 137.Pressekonferenz am 13.08.2004 folgende Zahlen an:

  • Gesamt: 1065 Grenz- und Mauertote, davon:
Vor/nach dem 13.August 1961
  • getötete Flüchtlinge/Personen Berliner Grenze/Mauer: 37 / 190
  • getötete Flüchtlinge/Personen innerdeutsche Grenze: 247 / 237
  • getötete Flüchtlinge/Personen Ostsee: 17 / 164
  • bei Fluchtversuch getötete DDR-Grenzsoldaten: 18 / 19
  • sonstige Todesfälle, auch außerhalb der DDR: 59 / 77

In einem gemeinsamen Forschungsprojekt der Gedenkstätte Berliner Mauer und des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam sollen die genaue Zahl der Todesopfer und die Lebensgeschichten sowie die Todesumstände ermittelt werden.

( Quelle: berlinermaueronline.de)



Statistik der DDR Flüchtlinge/Ausreisenden 1949 -1989

Einem Staat lief das Volk davon. Abertausende Menschen versuchten mit allen Mitteln und Wegen dem unterdrückenden Unrechtsstaat DDR zu entkommen. Viele versuchten es über einen Ausreiseantrag, dessen Beantragung alleine schon die Verfolgung und Observation der Stasi nach sich zog. Andere flüchteten unter Einsatz ihres Lebens über die innerdeutsche Grenze, über die Grenzen zu Nachbarstaaten und auf allerlei anderen lebensgefährlichen Wegen aus der DDR. Welche Verzweiflung sie trieb, diesem System zu entkommen, ist den Berichten unzähliger DDR-Flüchtlinge zu entnehmen.






Jahr Anzahl Personen


1949 .....125.245
1950 .....197.788
1951 .....165.648
1952 .....182.393
1953
.....391.390
1954 .....184.198

1955 .....252.870
1956 .....279.189
1957 .....261.622
1958 .....204.092
1959 .....143.917
1960 .....199.188
1961 .....159.730
1982 .....13.200
1983 .....11.300
1984 .....40.900
1985 .....24.900
1988 .....39.832
1989 .....343.854


Sonntag, 13. September 2009

DDR Flüchtlinge- Tagesschau Berichte 1989



Tagesschau vom 07.08.1989



Tagesschau vom 11.08.1989



Tagesschau vom 17.08.1989




Tagesschau vom 19.08.1989




Tagesschau vom 23.08.1989



Tagesschau vom 24.08.1989




Tagesschau vom 25.08.1989



Tagesschau vom 26.08.1989




Tagesschau vom 29.08.1989



Tagesschau 30.08.1989







Tagesschau vom 09.09.1989



Tagesschau vom 10.09.1989




Tagesschau vom 12.09.1989

Die Knäste der Stasi-Teil 3- Rostock

In den 60er Jahren wurde in Rostock ein menschenverachtendes Stasi-Gefängnis in Betrieb genommen. Tausende Regimekritiker wurden hier inhaftiert, in Einzelzellen mit blinden Glasbausteinen anstelle von Gittern. Ausgang gab es nur in den sogenannten "Tigerkäfigen".

Die speziell für politische Häftlinge ausgerichtete Untersuchungshaftanstalt wurde in den 50er Jahren als DDR-weit erste ihrer Art geplant, gebaut und im Herbst 1960 in Betrieb genommen. Drei Zellenetagen mit offiziell 110 Häftlingsplätzen standen in direkter Verbindung zu den Vernehmungsräumen in der benachbarten Stasi-Bezirkszentrale, die zum Neubaukomplex gehörte. Die Einzelzellen in dem Stasi-Knast waren 7,5 Quadratmeter groß. Anstelle von Fenstern wurden blinde Glasbausteine eingebaut. Die Häftlinge sollten nicht sehen können, wo sie sich befinden. Im Keller des Gebäudes gab es vier Dunkelzellen, die nicht mehr im Originalzustand erhalten sind. Zum Freigang wurden die Häftlinge in sogenannte "Tigerkäfige“ geführt. Für Außenstehende bestand keine Möglichkeit, den Innenhof einzusehen. In den umliegenden Häusern wohnten Stasi-Mitarbeiter.

Tausende Regimegegner der DDR machten in dem Untersuchungsgefängnis bittere Erfahrungen mit den Schergen der SED-Diktatur. Die Gründe für quälende Verhöre, Gewaltanwendung und Gefangenschaft waren staatsfeindliche Äußerungen oder Fluchtversuche. So war die 1948 geborene, heute als Reiseschriftstellerin bekannte Carmen Rohrbach nach ihrer todesmutigen und schließlich missglückten Flucht mit einem Schlauchboot über die Ostsee 1974 dort inhaftiert. In Rostock fanden ihre ersten Vernehmungen statt, ehe sie für zwei Jahre in das berüchtigte Frauengefängnis Hoheneck verfrachtet wurde. Sie wurde später von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft. Rohrbach war erschüttert "über die menschenverachtenden Haftbedingungen, die ich im 20. Jahrhundert in einem europäischen Land so nicht vermutet hätte“, wie sie wiederholt bekundet hat.

Am 4. Dezember 1989 kam mit der Wende das Ende des Rostocker Stasi-Objektes, als Bürgerrechtler vor dem Gebäude "Mahnwachen gegen die Vernichtung von Beweismitteln“ errichteten und Einlass erzwangen. Gemeinsam mit der Polizei nahmen damals Bürgerkomitees die Stasi-Bezirkszentrale unter Kontrolle. Im März übernahm der Rostocker Pastor und spätere Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, der Volkskammer-Abgeordnete Joachim Gauck, die Leitung des Sonderausschusses zur Kontrolle der Auflösung des MfS.

(Bilder: Netzseite Gedenkstätte Rostock)



Zelle im Stasi Knast Rostock.













Gänge im Stasi Knast.















Zellentrakt.








Stasi Opfer May-Britt Krüger: Schmerzliche Erinnerungen an den Stasiknast


Das Erste, was May-Britt Krüger beim Betreten des ehemaligen Stasi-Untersuchungsgefängnisses in Rostock auffällt, ist der Geruch. "Das riecht noch genauso muffig wie früher." Früher, das war vor 20 Jahren, als Krüger eine der letzten Insassen der Haftanstalt war, bevor die friedliche Revolution dem DDR-Regime ein Ende machte. Im Sommer 1989 war die damals 23-Jährige zusammen mit ihrem Vater und einem befreundeten Pärchen in Richtung Ungarn aufgebrochen. Die Freunde wollten in den Westen fliehen, Krüger wusste davon. Kurz hinter Rostock wurden die Vier gestoppt. Es begann eine dreimonatige Leidenszeit aus Isolation, Überwachung und Verhören. Das ehemalige Gefängnis ist heute eine Dokumentations- und Gedenkstätte. Wo zwischen 1960 und 1989 fast 5000 Männer, Frauen und Jugendliche einsaßen, informieren sich heute pro Jahr rund 14 000 Interessierte über die Geschichte der Anstalt. "Der jüngste Häftling war gerade einmal 14 Jahre alt", sagt der Mitarbeiter der Gedenkstätte, Volker Höffer. Staatsfeindliche Hetze war einer der häufigsten Vorwürfe gegen die Inhaftierten. May-Britt Krüger erinnert sich noch gut an die erste Nacht nach ihrer Verhaftung. "Ich saß in der engen Zelle und habe geweint. Wenn ich mich in die Ecke gesetzt habe, wurde ich gleich ermahnt, da die Ecke von den Wachen durch den Türspion nicht einsehbar war." Am nächsten Tag wurde ihr dann zunächst die Anklage verlesen: Bandenbildung, Mitwisserschaft und versuchte Republikflucht, drohendes Strafmaß bis zu acht Jahre. "Am Abend wurde ich dann zum ersten Mal verhört, der Vernehmer hat mich nur angebrüllt."

Der nächste Vernehmer versuchte es auf die sanfte Tour, erinnert sich Krüger. "Dem musste ich mein ganzes Leben erzählen und er versuchte immer, mir die Vorzüge der DDR zu erklären und was wohl in meinem Elternhaus schiefgelaufen sein musste." Insgesamt 26 Mal wird Krüger verhört. "Aber ich konnte denen gar nicht sagen, was sie hören wollten, weil ich selber nicht wusste, ob ich in Ungarn abgehauen wäre." Als dann auch in Rostock mit der ersten Demonstration die friedliche Revolution begann, konnte Krüger in ihrer Zelle Rufe hören wie "Stasi in die Produktion". "Bei der nächsten Demo ließ die Stasi dann im Innenhof Motoren von Lastwagen laufen, so konnten wir nichts mehr hören." Ob sich die Einsatzkräfte bereithielten, um die Demonstration gewaltsam aufzulösen, lässt sich heute laut Höffer nicht mehr rekonstruieren. Als Krüger dann Ende Oktober im Rahmen der Amnestie für politische Häftlinge entlassen wurde, hätten sie ihre Peiniger noch gewarnt: "Wenn Sie an einer Demonstration teilnehmen, sind Sie schneller wieder hier, als Sie gucken können." So weit kam es dann nicht, die Geschichte verlief anders. Doch die Frau hörte noch jahrelang nachts das Knarren von Stiefelsohlen auf dem Gang, das Geräusch, wenn die Klappe vor dem Türspion weggeschoben wurde oder das Klirren des Schlüsselbundes, der sich im Schloss ihrer Zelle drehte. "Noch heute bekomme ich eine Gänsehaut, wenn jemand einen Schlüsselbund auf den Tisch wirft." Höffer kennt diese Traumatisierungen von vielen ehemaligen Insassen: "Bei vielen hat sich das Geräusch des Schlüssels oder des Türriegels eingebrannt." Viele erinnerten sich auch an ihre Art, mit der Isolation umzugehen. "Einige haben im Stillen Gedichte rezitiert, ein Mathematiker berichtete, er habe immer mathematische Formeln rekonstruiert."

Der Umgang mit den Tätern von damals sei für viele Gefangene heute noch schwierig, weiß Höffer. Die meisten Vernehmer und Aufseher entzögen sich ohnehin der Aufarbeitung. Höffer erinnert sich an eine Begegnung bei der Eröffnung der Gedenkstätte 1999. "Ein ehemaliger Häftling wollte sich noch einmal seine Zelle ansehen und stand dort auf einmal seinem Vernehmer gegenüber, der ihn grüßte wie einen alten Bekannten. Das war zu viel für den Mann, der wie zur Salzsäule erstarrte." Als Krüger ihrem damaligen Vernehmer nach der Wende das erste Mal wiedersah, sei sie zu ihm gelaufen und habe 'Du Vernehmerschwein' gerufen. "Aber wenn ich ihm jetzt begegne, habe ich für mich den Triumph, dass ich heute über das Erlebte reden kann und ihm so zeige, dass er mich nicht gebrochen hat."



Montag, 7. September 2009

Die Knäste der Stasi - Teil 2- Bautzen

Bautzen I

1950 bis 1989
unterstand Bautzen I dem Ministerium des Innern der DDR, Abteilung Strafvollzug. Nach Entlassung der letzten SMT-Verurteilten 1956 wurden nun in erster Linie mehrfach vorbestrafte und wegen schwerer Delikte langzeitverurteilte Kriminelle inhaftiert. Doch gab es daneben auch weiterhin politische Häftlinge: "Saboteure", "Boykotthetzer", Zeugen Jehovas, Republikflüchtlinge u. a. m. Erst mit der friedlichen Revolution 1989 endete die Geschichte des "Gelben Elends" als Ort politischer Verfolgung.

Seit Oktober 1990 ist Bautzen I dem Justizministerium des Freistaates Sachsen unterstellt. Die Justizvollzugsanstalt Bautzen ist heute zuständig für Untersuchungshaft und den Vollzug langer Freiheitsstrafen von männlichen Gefangenen.


Bautzen II

1949-1956
Nach der Übergabe des Gebäudekomplexes an die deutschen Behörden unterstand Bautzen II als Untersuchungsgefängnis anfänglich dem Justizministerium. 1951 wechselte die Zuständigkeit an das Ministerium des Innern und die Anstalt wurde Außenstelle von Bautzen I für den allgemeinen Strafvollzug.

1956-1989
war Bautzen II inoffiziell dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR unterstellt, welches besondere Zugriffs- und Aufsichtsrechte über die Anstalt erhielt. Die Redewendungen vom "Stasi-" oder "Mielkes Privat-Knast" verdeutlichen dieses besondere inoffizielle Unterstellungsverhältnis in markanten Worten. Vorrangig wurde die Haftanstalt als Gefängnis für so genannte Staatsverbrecher genutzt. Viele Häftlinge verbüßten hier langjährige Haftstrafen aus politischen Gründen. Zu den Gefangenen zählten vor allem politische Gegner der SED-Führungsspitze, ausländische Häftlinge, die wegen Spionage oder Fluchthilfe verurteilt worden waren, aber auch straffällig gewordene Funktionäre aus dem DDR-Herrschaftsapparat. Erst mit den gesellschaftlichen Umwälzungen im Herbst 1989 rückte Bautzen II in das Licht der Öffentlichkeit und es begannen erste Entlassungen. Im Dezember 1989 wurden schließlich die letzten politischen Gefangenen freigelassen.

1990-1992 diente Bautzen II wieder als Außenstelle der JVA Bautzen. Im Januar 1992 wurde die Anstalt endgültig geschlossen.




Bautzen II.







Außengelände Bautzen II.

















Zelle .





















Gänge im Gefängnis Bautzen II.












Ein kurzes Video gefilmt im Inneren von Bautzen II:


Sonntag, 6. September 2009

Die Knäste der Stasi-Teil 1- Berlin Hohenschönhausen

Im Zuge der Übergabe sowjetischer Besatzungseinrichtungen an die Verwaltungsbehörden der DDR seit Anfang 1950 wurde das Gefängnis Hohenschönhausen an das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) übergeben, das hier bis zu seiner Auflösung seine zentrale U-Haft-Anstalt betrieb. Im Laufe ihres Bestehens als MfS-Gefängnis wurde die Haftanstalt mehrfach erweitert und umgebaut. Um 1960 ließ die Stasi drei in Hufeisenform angelegte und miteinander verbundene Neubauten auf dem Gelände errichten: Einen Zellentrakt, der im Keller über zwei Gummi-Dunkelzellen verfügte, ein Mehrzweckgebäude und einen Vernehmertrakt, in dem Häftlinge oft stundenlangen Verhören unterzogen wurden. Das »U-Boot«, bis dahin der eigentliche Zellenbau, wurde nur noch vereinzelt, zur Isolationshaft, genutzt. Dieser Trakt diente nun hauptsächlich als Lager- und Materialraum. Im Zuge der Baumaßnahmen des MfS wurden zudem zwei Freiganghöfe errichtet und die frühere Wäscherei der NSV zu einem Haftkrankenhaus umgebaut. Auch zur Zeit der DDR war die Geschichte des Gefängnisses Hohenschönhausen von der Verfolgung politischer Oppositioneller bzw. Verdächtiger geprägt. Die Vorwürfe, die zur Inhaftierung führten, lauteten zumeist auf Boykotthetze, staatsfeindliche Propaganda, Spionage oder Republikflucht. Die Behandlung der Inhaftierten innerhalb der Haftanstalt wandelte sich dabei nach und nach: Der Einsatz physischer Gewalt wich zunehmend psychologischen Methoden. Ein maßgebliches Prinzip der MfS-Haft bestand in der seelischen Zermürbung der Untersuchungshäftlinge durch Orientierungslosigkeit und Isolation. So wussten die meisten Gefangenen nicht, wohin man sie nach ihrer Verhaftung gebracht hatte. Ein direkter Kontakt zur Außenwelt war nicht möglich, und auch innerhalb der Haftanstalt war das Prinzip der Isolation beherrschend. Das Gefühl des Ausgeliefertseins, der Ohnmacht gegenüber einem gleichsam allmächtigen Staatsapparat, bestimmte das Leben der Häftlinge. Das Gelände der Untersuchungs-Haftanstalt war zugleich auch Sitz der Abteilung XIV (Strafvollzug) der Staatssicherheit. In einem direkt angrenzenden Gebäude war die Hauptabteilung IX (Strafrechtliche Ermittlungen) untergebracht.

Die Herkunft der Häftlinge wurde nach der MfS-Übernahme nun noch vielfältiger: Zeugen Jehovas, Spione, Saboteure, Staatsfeinde aller Art und vor allem jene, die der Denunziation zum Opfer gefallen waren, verschwanden hinter den Mauern der Adresse Genslerstraße 66. Vor allem aber landeten immer mehr Kommunisten und Antifaschisten aus den eigenen Reihen in den Zellen, nämlich jene Parteigenossen, die ehrgeizigeren und skrupelloseren Mitstreitern in die Quere gekommen waren und beseitigt werden mußten. Die Revolution fraß ihre eigenen Kinder.
Selbst vor Entführungen ausländischer Staatsbürger schreckte das MfS nicht zurück, wie das Beispiel des Westberliner Rechtsanwalts Walter Linse zeigt, der 1952 in Westberlin gekidnappt und von dort nach Hohenschönhausen entführt wurde. Weitere bekannte Häftlinge, die vor allem bundesweit Schlagzeilen machten, waren Walter Janka, der damalige Leiter des Aufbau-Verlags, der Philosoph Wolfgang Harich und der Publizist Rudolf Bahro. Insbesondere Ende der Achtziger Jahre, also kurz vor dem Ende der DDR, wurden die Inhaftierung der bekannten Dissidenten Bärbel Bohley, Vera Wollenberger, Freya Klier und Stephan Krawzcyk besonders heftig kritisiert – und zwar nicht nur von der westdeutschen Presse und westdeutschen Politikern, sondern zunehmend auch innerhalb der DDR-Bevölkerung, die nicht länger bereit war, die ausufernde Willkür hinzunehmen, was nicht zuletzt auch zu den großen Montagsdemonstrationen geführt hat.

(Bilder: Andre Günther)



Ein Verhörzimmer.














Folterinstrumente.










Auch vor Entführungen schreckte die Stasi nicht zurück. Auf dem Bild zu sehen, ein extra dafür hergerichtetes Auto.




Zellentrakt.











Der "Tigerkäfig".

















Eine Zelle.






Wachturm Berlin Hohenschönhausen.

Psycho Folter im Stasi- Knast


Ein kurzer Film über die Verhörmethoden der Stasi im Knast Berlin-Hohenschönhausen. Ehemalige Häftlinge berichten. Um zum Video zu gelangen, einfach auf das Bild klicken.

Tod im Stasi-Knast: Warum starb Matthias Domaschk?

Der Fall des Matthias Domaschk.


Freitag, 10. April 1981: Matthias Domaschk verabschiedet sich am frühen Abend von seiner Freundin, gibt ihr noch einen letzten Kuss und steigt in den D-Zug nach Berlin. Er will zu einer Geburtstagsfeier. Gegen 21 Uhr wird er in Jüterbog von der Transportpolizei geweckt: "Fahrscheinkontrolle! Ausweiskontrolle! Aussteigen!" Stundenlanges Warten. Matthias ist verwundert, Berlin-Verbot hat er nicht, andererseits: Diese Art der Schikane durch die Stasi kennt der 23-Jährige seit er in der Jungen Gemeinde Jena aktiv ist. Er wird in die Stasi-Untersuchungshaft nach Gera gebracht. Knebelketten werden ihm angelegt.

Selbstmord oder Mord?

Samstag, 11. April 1981: 22 Uhr, Ankunft in der U-Haft Gera. Ein Spalier, Bewacher, Gebrüll. Laufschritt. Matthias muss ins "U-Boot". Einzelzelle. Die Tür knallt zu. Es ist eng, keine Liege, kein Fenster, nur ein Hocker. Domaschk wird wieder rausgeholt, muss alles abgeben: Schnürsenkel, Gürtel und auch die Visitenkarte von Rechtsanwalt Schnur. Ohne Unterbrechung wird er bis zum Mittag des 12. April 1981 verhört. 24 Stunden lang. Am frühen Nachmittag ist Matthias Domaschk tot. Nur wenige Wochen vor seiner Hochzeit.

Im Protokoll der Stasi steht, Domaschk habe sich mit seinem Hemd an der Heizung erhängt. Die Umstände des Todes konnten bis heute nicht geklärt werden. War es tatsächlich Selbstmord, eine Verzweiflungstat oder vielleicht sogar Mord? Es gibt keinen Obduktionsbericht.

Matthias Domaschk, geboren am 12. Juni 1957 in Görlitz, kam 1974 für eine Ausbildung nach Jena. Dort beteiligte er sich 1976 an Protesten gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns und wurde seither von der Stasi beobachtet. Wegen seines anhaltenden politischen Engagements wurde er vom Abiturkurs exmatrikuliert. Domaschk gehörte zum Umfeld der Jungen Gemeinde Jena und engagierte sich für einen sozialen Friedensdienst in der DDR als Alternative zur Armeezeit. Am 10. April 1981 wurden er und sein Freund Peter Rösch auf der Fahrt zu einer Geburtstagsfeier nach Berlin verhaftet. Matthias Domaschk starb am 12. April 1981 im Geraer Untersuchungshaftanstalt. Die Frage, ob Domaschk ermordet wurde, einem Unfall zum Opfer fiel oder Suizid beging, ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt. Im November 2000 kam es zu einem letzten Prozess. Dort sagte Domaschks Freund Peter Rösch als Zeuge aus. Die Strafanzeige der Freiheitsberaubung mit Todesfolge gegen die damaligen MfS-Offiziere wurde abgewiesen, da die Anklage nach DDR-Polizeigesetz verhandelt wurde und die Indizien für eine Verurteilung nicht ausreichten.


Organisierter Kunstraub im Namen der Stasi














Es war der größte Kunstraub der DDR! Am Mittag des 20. September 1977 verschwand aus einer Panzer-Vitrine des Dresdner Stadtmuseums der „Sophienschatz“. 56 goldenen Grabbeigaben (ca. 2,5 Mio. Euro wert) aus den Wettiner-Grüften der 1963 gesprengten Dresdner Sophienkirche. Die Kunst- und Antiquitäten GmbH gehörte zur 1966 gegründeten „Kommerziellen Koordinierung“ (KoKo) der DDR. Vor zehn Jahren tauchten 38 Stücke in Oslo auf. Jetzt führt erstmals eine Spur zu den Tätern: Stasi-Chef Erich Mielke (†2000) ließ das Gold rauben, gegen Devisen verhökern! Zwei Jahre recherchierte die ZDF-Redakteurin Birgit Tanner (32). Heute ist sie sich sicher: „Vieles deutet darauf hin, dass es staatlich organisierter Raub der Stasi war!“ Alles am Diebstahl war mysteriös. LKA--Ermittler Jürgen Oelsner (65): „Es gab damals keine Fingerabdrücke, die Überwachungskamera war manipuliert und der Wachmann just an dem Tag zum Wehrkreiskommando nach Karl-Marx-Stadt bestellt.“ 150 DDR-Kriminalisten verhörten damals 3200 Zeugen – und fanden nichts! Nach Monaten wurde die Akte geschlossen. Als das LKA 1999 Teile des Schatzes beim Osloer Münzhändler Gunnar Thesen (57) beschlagnahmte, kam raus: Er hatte sie aus Kopenhagen von Händler Arne Jacob Becker (†1983). Tanner: „Becker war Mitarbeiter der Kunst- und Antiquitäten GmbH, die zum von der Stasi gelenkten Firmen-Geflecht Kommerzielle Koordinierung (KoKo) gehörte.“ Sie stieß auf den KoKo-Insider Helmut Dohnke (†2009). „14 Tage vor seinem Krebs-Tod im Januar verriet er mir, dass Stasi-Chef Mielke den Raub befohlen hatte. Der Schatz lagerte dann noch rund zwei Jahre in der DDR, bevor er an Becker ging.“ Wo die restlichen 18 Teile des Schatzes (darunter die Königskette aus 1,3 Kilo purem Gold) blieb, ist weiter unbekannt.

Freitag, 4. September 2009

Bei anderen gelesen: Liste ehemaliger SED-Mitglieder und ihre Politik-Karriere


Wer glaubte das die SED nach dem Mauerfall in alle Winde zerstreut wurde, der irrt! Noch immer sind sie mitten unter uns, im Bundestag, in Vereinen und Behörden.

Um zur Liste der SED-Mitglieder zu gelangen, einfach auf das Bild klicken!

Donnerstag, 3. September 2009

Die Opfer der Stasi - Teil 3 - Die Ballonflucht des Peter Strelzyk













Nicht nur die Lebensumstände wie fehlende Meinungs- und Reisefreiheit, sondern auch die politischen Verhältnisse bedrückten die Familie Strelzyk in der DDR zunehmend: Volkskammerwahlen, die die SED regelmäßig mit über 99 Prozent der Stimmen gewann, ein "Antifaschistischer Schutzwall" und perfekte Grenzanlagen, angeblich zum Schutz der DDR-Bürger vor den kapitalistischen Nachbarn, demonstrative Loyalitätsbekundungen nicht nur am 1. Mai, dem Tag der Arbeit. All das engte Doris und Peter Strelzyk, die seit 1966 verheiratet sind, ein und schnürte ihnen die Luft ab. 1974 beantragten sie eine Reise nach Jugoslawien. Eine Antwort erhielten die Strelzyks nie. Früh erkannten sie, dass Ehrlichkeit nur im engeren Familien-, Verwandten- und Freundeskreis möglich war, doch die offenen Gespräche waren kein Ersatz für Meinungs- und Reisefreiheit.

Das Ehepaar wusste, dass es nur einen Weg gab die DDR zu verlassen - den Luftweg. Peter Strelzyk unterhielt sich erst mit seiner Frau, die die Idee für unrealisierbar hielt, dann mit seinem jüngeren Kollegen Günter Wetzel über Fluchtmöglichkeiten. Ihnen allen war klar, dass die Grenze mit Minen, Selbstschussanlagen und Zäunen gesichert war, gut ausgerüstete Wachposten jeden Zentimeter kontrollierten und auf jeden Verdächtigen schossen. Die Ostsee wurde von Patrouillenbooten überwacht. "Wir bauen einen Heißluftballon!" stand nach kurzem Überlegen fest. Doch wie konstruierte man heimlich einen Ballon, der acht Menschen, darunter auch die Familie Wetzel mit ihren zwei Kindern, sicher über die DDR-Grenze tragen würde? Die Berechnungen waren der einfachste Teil der Arbeit. Die Umsetzung des Projektes dagegen weitaus komplizierter, da in der DDR Mangelwirtschaft herrschte. Die beiden Familien rechneten ein Volumen von 2.800 Kubikmetern aus, für die man 850 Quadratmeter Stoff benötigte, aus dem die Ballonhülle entstehen sollte, der jedoch nicht sehr einfach aufzutreiben war. Im September 1978 war die Ballonausrüstung vollständig. Doch dann ein Rückschlag: Petra und Günter Wetzel stiegen aus, weil sie nun doch zuviel Angst vor den Folgen eines möglichen Scheiterns hatten. Peter Strelzyk merkte, dass sich gegen Angst schlecht argumentieren ließ. Man beseitigte alle Spuren des Ballonbaus in Wetzels Haus und mied den Kontakt zu diesen, damit sie nicht wegen Mitwisserschaft verurteilt wurden, falls die Flucht gelänge - oder man die Strelzyks erwischte. In dieser Nerven aufreibenden Zeit war nichts wichtiger, als nach außen hin den Anschein einer normalen Familie zu wahren. Nachts arbeiteten Peter und sein Sohn Frank an den Anlagen für den Ballon, tagsüber ging jeder wie ein normaler Bürger seinen Beschäftigungen nach. Nachdem der Ballon auf einer Waldwiese getestet worden war und das Ergebnis Strelzyks zufrieden stellte, fehlte nur noch eines: geeigneter Wind. Jeden Tag hörte die Familie den Segelflugbericht auf "Bayern 3" und hoffte auf Wind aus dem Norden. Am 3. Juli 1979 war der Tag gekommen. Die Wolken zogen von Nord nach Süd.
Der missglückte Versuch

Gegen 1 Uhr erreichten sie mit dem Trabant und dessen Anhänger den Startplatz zwischen Wurzbach und Lobenstein, von wo aus die Grenze nur etwa zwölf und das Sperrgebiet sieben Kilometer entfernt war. Durch das mehrmalige Üben des Ballonaufbaus war die Gondel schon nach wenigen Minuten fest im Boden verankert, während sich die Ballonhülle mit Luft füllte. Nach dem Flammenwerfer wurde der Brenner angestellt und die Familie stieg in die Gondel. Die Strelzyks stiegen nach dem Durchtrennen der Verankerungsseile mit drei Meter pro Sekunde in den dunklen Nachthimmel und erreichten nach 25 Minuten eine Höhe von 1.900 Metern. Doch plötzlich wurde es vollständig dunkel, als der Ballon in die Wolkendecke eintauchte. Der Ballonwollstoff sog sich mit Wasser voll, das Gewicht stieg und der Ballon sank. Die Familie, die immer noch auf ein glückliches Ende dieser Aktion hoffte, war entsetzt über das Verlieren an Höhe und landete wenige Minuten später in einem Wald, in dem eine hochgewachsene Fichte die Ballonhülle zerfetzte.

Die Frage, die sich Peter, Doris, Frank und Andreas jetzt stellten, war: Sind wir im Westen? Die Strelzyks suchten solange nach Hinweisen bis Frank ein bedrucktes Stück Papier auf dem Boden fand, worauf zu lesen war "VEB Nahrungs- und Genussmittel Wernigerode". Der letzte Funken an Hoffnung schwand in dem Moment des Entdeckens. Sie waren im Sperrgebiet kurz vor dem ersten Sicherheitszaun gelandet. Ein langer Fußmarsch zurück zum Startplatz begann, auf dem sich alle Sorgen um die Folgen dieses gescheiterten Versuches in den Westen zu kommen machten. Alles wurde wieder in das Auto gepackt, nichts durfte zurückbleiben. Erschöpft und enttäuscht, aber bisher unentdeckt erreichte Familie Strelzyk ihr Haus. Sie wussten, dass der zurückgelassene Ballon bald entdeckt werden würde und sie demnach nicht mehr viel Zeit hatten einen neuen zu bauen. Sie entschlossen sich aber dennoch für eine nochmalige Flucht.
Die geglückte Flucht

Voller Optimismus arbeiteten die Strelzyks an der Entstehung eines neuen Ballons. Schließlich funktionierte der erste, man hatte nur Pech mit dem Wetter. Verzweifelt suchte die Familie nach geeigneten Stoff für das zu bauende Fluggerät. Um nicht aufzufallen notierte sich Doris die Namen der Geschäfte, wo sie zeitlich versetzt immer nur kleine Mengen Stoff kaufte. In die alte Nähmaschine baute Peter einen Motor ein, um den Nähvorgang zu beschleunigen. Ein paar Tage später besuchte Günter Wetzel die Familie und entschloss sich, mit seiner Frau Petra den Strelzyks bei dem Bau des zweiten Ballons zu helfen und nun doch mit ihnen zu fliehen. Nach acht Tagen war bereits die Hälfte der Ballonhülle fertig. Am 14. August 1979 leitete die Volkspolizei auf Grund des im Wald gefundenen Ballons die Fahndung nach den Republikflüchtlingen ein. Die Zeitung lichtete ein Foto von dem Ballon und dessen zurückgebliebenen Inhalt, einer Wasserpumpenzange, einem Taschenmesser und Peters Barometer, ab. Die Leser wurden aufgefordert, sich mit "zweckdienlichen Hinweisen" bei der Kriminalpolizei in Gera zu melden. In den nächsten Tagen arbeiteten die zwei Familien mit Hochdruck an der Fertigstellung des neuen Ballons, da sie befürchteten, dass man ihnen schon längst auf den Fersen sei. Günter saß oft sechzehn Stunden an der Nähmaschine, während ihm Petra die langen Stoffbahnen zuführte. In Strelzyks Nachbarschaft wohnten überwiegend Parteigenossen, deshalb nähte Günter meist nachts an der Ballonhülle. Sechs Kilometer Nähgarn hatten die Wetzels inzwischen in 2,2 Kilometer Nähte verarbeitet, doch noch immer fehlten 210 Quadratmeter Stoff. Außerdem mussten die Fluchtutensilien ausprobiert werden. Nachts fuhr Peter mit Frank auf eine abgelegene Wiese in Liebschwitz, um Brenner, Flammenwerfer und Propangasflaschen zu testen - die Energieversorgung für die Ballonflucht war gesichert. Nun fehlten nur noch 55 Quadratmeter Stoff, die sie in einem Warenhaus in Schwarza kauften. Am darauffolgenden Tag war es schwül und ein heftiges Gewitter ebnete den Familien das geeignete Fluchtwetter, da der Wind aus Norden wehte. Ohne nachzudenken luden die zwei ungeduldigen Familien den 175 Kilogramm schweren Stoffberg, der erst wenige Stunden zuvor fertig genäht worden war, die Gondel, mehrere Gasflaschen, Brenner und Flammenwerfer in den Autoanhänger. Der völlig überladene Wartburg fuhr auf eine Wiese zwischen Unterleummnitz und Heinersdorf, dicht an der Bahnlinie Lobenstein-Triptis, wo die acht Personen gegen 1.30 Uhr ihre Fluchtutensilien unter sternenklarem Himmel ausbreiteten. Günter und Frank verankerten die Gondel, dann wurden Rohre in den Boden geschlagen, die den Ballon zunächst am Boden halten sollen. Ein Motorradmotor, den Peter zu einem Gebläse umfunktioniert hatte, wurde vor der Ballonöffnung aufgebaut, um Luft unter die schlaffe Hülle zu blasen. Flammenwerfer und Brenner wurden montiert, während sich der Ballon allmählich füllte.
Der Ballon Der Ballon

Ganze sieben Propangasflaschen wurden auf den Kopf gestellt, damit das Gas unter langsamem Öffnen des Ventils, flüssig aus den Düsen austrat. Als Peter Strelzyk dieses mit einem Streichholz entzündete, schoss eine zwölf Meter lange Flamme ins Balloninnere, die Peter unter einem lauten Knall die linke Hälfte des Bartes wegsengte. Alle stiegen nun in die Gondel, der Brenner wurde gezündet und schon stieg der Ballon mit drei Metern pro Sekunde majestätisch in die Dunkelheit der Nacht. Plötzlich fing ein Stück Stoff Feuer, doch Günter war sofort mit dem Feuerlöscher zur Stelle. Hätten die Familien nicht daran gedacht, wäre auch diese Flucht missglückt. Nach wenigen Minuten befand sich der Ballon in 1800 Metern Höhe. Als Petra Scheinwerfer von unten meldete, wurde der Brenner aufgedreht, bis eine Höhe von 2500 Metern erreicht war. Das Licht blieb zurück, doch der Ballon begann langsam zu sinken. Die Gasflaschen waren leer und der Brenner ging aus. Die Erde kam rasend schnell auf die Insassen zu, ein Wald, Felder und einzelne Häuser waren erkennbar. Ein starker Aufprall folgte und die Ballonhülle legte sich langsam zur Seite und erschlaffte. Sofort wollten alle wissen, wo sie gelandet waren. Daraufhin erkundeten Günter und Peter die Gegend, bis ein Auto auf sie zukam. Die beiden entdeckten einen westdeutschen Polizeiwagen und rannten schnell auf die Beamten zu. Sie rissen die Tür auf und Peter fragte: "Sind wir hier im Westen?". Die Polizisten waren völlig verblüfft, gaben aber dennoch die Antwort: "Nein, in Oberfranken!" Überglücklich zündeten Günter und Peter eine Silvesterrakete als Zeichen für Doris, Petra und die Kinder. Diese kamen herbeigelaufen und alle waren fassungslos über die Landung auf der Anhöhe Finkenflug, in der Nähe des Städtchens Naila.
Die Fluchtroute Die Fluchtroute - Zum Vergrößern anklicken
Sippenhaft in der DDR

Doch leider brachte die Flucht auch Negatives mit sich. Erich Strelzyk, Bruder von Peter, erfuhr in den Nachrichten vom ZDF über die geglückte Ballonflucht seines Bruders. Er wurde gleich drei Stunden nach der Landung seines Verwandten im Westen, um sechs Uhr morgens am 16. September, von zwei Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes in seiner Potsdamer Wohnung festgenommen. Zu den üblichen Maßnahmen des Staatssicherheitsdienstes gehörte es, Verwandte zu inhaftieren, denn die Drohung der Sippenhaft sollte abschreckend wirken. Er musste sämtliche Fragen über sich ergehen lassen, ohne jemals etwas von der geplanten, und nun durchgeführten Flucht seines Bruders gewusst zu haben. Es wurden fünfzig Seiten Protokoll geschrieben und Erich wurde daraufhin wegen "Beihilfe zur Republikflucht" inhaftiert. Auch Peter Strelzyks Schwester Maria und ihr Mann Horst wurden kurz nach der Ballonflucht festgenommen. Wegen angeblicher Mitwisserschaft und Nichtanzeige der Fluchtvorbereitungen wurden sie zu zwei bis zweieinhalb Jahren verurteilt. Ebenso wurde Peters bester Freund und Arbeitskollege Thomas Dietrich in die Haftanstalt Naumburg gebracht. Doris und Peter kämpften nun für die unschuldigen Verwandten in der DDR und erreichten mit Hilfe von Amnesty International sowie Rainer Hildebrandt von der Arbeitergemeinschaft "13. August" eine Entlassung von Erich, Maria und ihrem Mann Horst. Thomas Dietrich, der beste Freund und ehemaliger Arbeitskollege von Peter, blieb jedoch in Naumburg inhaftiert.
Ein neues Leben begann

Das kleine Städtchen Naila hatte am 17. September den vermutlich größten Trubel seit langem, als die acht ehemaligen DDR-Bürger dort landeten. Etliche Zeitungen waren an der Geschichte interessiert, was sich Familie Strelzyk zum Nutzen machte. Mit dem Illustriertenhonorar finanzierten sie sich eine neue Wohnungseinrichtung. Bürgermeister von Naila, Robert Strobel, setzte sich für die Familie ein und organisierte ihr eine Wohnung und Arbeitsangebote. Jeder der Geflüchteten erhielt neue Pässe und Personalausweise.

Strelzyks bezogen eine Wohnung Am Hammerberg 1 und erhielten zahlreiche Anrufe sowie Briefe von ehemaligen Flüchtlingen oder Vertriebenen, sogar Heiratsanträge für Frank. Auch beim Bürgermeister ging stoßweise Fan-Post für Strelzyks ein. Allerdings waren unter den Schreiben auch Drohanrufe. Anonyme Anrufer kündigten an, Andreas zu entführen. Bei ihren Fluchtvorbereitungen hatte die Familie an vieles gedacht, aber nie waren sie auf die Idee gekommen, dass die DDR sie nach der Landung im Westen weiter verfolgen würde. Das Interesse der Außenwelt an der sensationellen Geschichte bestand weiterhin und so erhielten Doris und Peter im Oktober ein Angebot der Filmproduktionsfirma Walt Disney. Die Kalifornier wollten die Fluchtgeschichte verfilmen, sie verhandelten mit dem Unternehmen und einigten sich auf den Titel "Night Crossing". Die Premiere fand im New Yorker Rockefeller Center statt. Die New York Times meinte, die Flucht spräche Bände über die politischen, wirtschaftlichen und humanitären Verhältnisse in der DDR. Ebenso war der Film "Mit dem Wind nach Westen" und das gleichnamige Buch eine interessante Schilderung der Flucht von Strelzyks und Wetzels. Doris und Peter waren bei der Filmvorführung zu Tränen gerührt, da diese die ganze Vergangenheit mit all den dazugehörigen Strapazen aufwühlte.
Folgen in der DDR

Seit der spektakulären Flucht arbeitete die Stasi auf Hochtouren. Bevor noch andere DDR-Bürger auf dieselbe Idee kommen konnten, wurden alle Käufer von Propangasflaschen registriert und Stoffe, die sich für Ballonhüllen eigneten nicht mehr in größeren Mengen verkauft. Die Stasi-Offiziere in Gera veranlassten zwei Tage nach der Flucht Postkontrollen, die umfassend waren. Kein Brief aus der DDR an Strelzyks, keine Post in Gegenrichtung passierte fortan ungeöffnet die Grenze. Unter dem Operativvorgang "Birne" lief die Arbeit der Stasi, bei dem herausgefunden wurde, dass sechzehn Augenzeugen die Ballonfahrt beobachteten und sich auf das Einschreiten der Sicherheitskräfte verließen. Diese entdeckten den Ballon jedoch zu spät.
Der beste Freund ein IM

Thomas Dietrich wurde seit der Ballonflucht seines Freundes observiert. Während seiner Haftzeit in Naumburg wurde er regelmäßig zu Gesprächen mit einem Stasi-Major geholt. Wochen vergingen, in denen Dietrich offenkundig auf seine Mission vorbereitet wurde. Er verfasste am 28. Januar 1981 eine handschriftliche Verpflichtungserklärung, in der er versprach, nach der Haftentlassung mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammenzuarbeiten und dazu beizutragen, dass "die Machenschaften des Feindes Peter Strelzyk" aufgeklärt werden. Er verpflichtete sich ebenso, alle Aufträge in Sachen "Staatsfeind Peter Strelzyk" zu erfüllen und wählte sich zur Wahrung der Anonymität den Decknamen Karl Diener. Anfang 1982 wurde Thomas Dietrich vorzeitig aus der Haft entlassen und nahm sofort seine Spitzeltätigkeit auf, indem er über Doris Mutter Informationen über die im Westen lebenden Strelzyks herausfinden wollte. Im Herbst 1982 ließ die Stasi Dietrich und seine Familie aus der DDR ausreisen, zwar ohne konkreten Auftrag, aber mit der Absicht mehr über den "Hauptverräter Strelzyk" zu erfahren. Der IM Karl Diener wurde zur wertvollsten Informationsquelle der Stasi im Operativvorgang "Birne". Peter und Doris Strelzyk machten sich in Bad Kissingen selbstständig und erklärten Dietrich, der mittlerweile auch dort wohnte, um der Familie Strelzyk möglichst nahe zu sein, zu dem Geschäftsführer ihres Elektrogeschäfts. Dort sammelte er viele Informationen über das Ehepaar und dessen Tätigkeiten. Als er den Auftrag erhielt, Strelzyk möglichst stark in seiner Geschäftstätigkeit zu schädigen, tat er alles in seiner Macht stehende um diese Aufgabe zu der Zufriedenheit der Stasi zu erfüllen. Diese erdachte sich den Nutzen, Peter und Doris auf diese Weise von "feindlichen Aktivitäten" abzubringen, da ihnen die finanziellen Möglichkeiten dafür fehlen würden. Der "Staatsfeind Strelzyk" sollte vollständig verunsichert und demoralisiert werden. Strelzyks mussten ihr Geschäft wegen fehlender Kunden aufgeben und Dietrich übernahm es daraufhin. Karl Diener erhielt mehrere tausend Westmark für seine Taten und Informationen.

Der Fall der Mauer

Als die Wende kam, kehrten Strelzyks in ihr altes Haus nach Pößneck zurück, wo sie heute noch leben. Sie erkannten schnell, dass alles vertraut und doch fremd war. Als die Nachricht eintraf, man könne in der Geraer Niederlassung der Gauck-Behörde Einsicht in seine Akten beantragen, stellte Peter sofort einen dieser Anträge. "Bringen Sie viel Zeit mit!" warnte sie die Mitarbeiterin am Telefon, da die Unterlagen über den Fall sehr umfangreich wären. Sie sollte Recht behalten, denn über die Familie Strelzyk existierte ein 25 Kilogramm schwerer Aktenberg. Darin mussten Doris und Peter die grausame Entdeckung machen, dass ihr vertrauter Freund Thomas Dietrich ein Spitzel der Stasi war.

Dienstag, 1. September 2009

Haben sie denn alles schon vergessen?


1988. Es ist ein sonniger Tag im August, eigentlich ein Tag wie jeder andere auch, doch heute sind alle in heller Aufruhr. Meine Mutter zieht uns Kindern unsere schönsten Sachen an und mahnt uns zur Eile, wir sollen nicht so herumtrödeln, sonst kommen wir noch zu spät. Wir laufen durch die Straßen, es sind ungewöhnlich viele Menschen unterwegs, auf dem großen Platz vor dem "Zentrum" sind sie alle versammelt. Alt und Jung, Arbeiter, Kinder, es scheint als wäre die ganze Stadt zusammen gekommen. Ich frage meine Mutter warum denn so viele Menschen hier seien und sie antwortet nur kurz, "..die Partei.." . Ich weiß damit nichts anzufangen und frage in meiner kindlichen Neugierde nach "...was ist eine Partei?". "..Sei lieber still.." flüstert meine Mutter und zieht mich schnell an dem Volkspolizisten vorbei, der inmitten der Menschenmenge steht. Er schaut grimmig umher, er macht mir Angst. Als ein Mann die aufgestellte Bühne vor uns betritt, bricht großer Jubel aus, die anwesenden Menschen schwenken ihre mitgebrachten Fähnchen und sind ganz aus dem Häuschen. Der Mann auf der Bühne spricht von Sozialismus und Kollektiv, von erfüllten Plänen und dem großen Bruder Sowjetunion, von Freiheit und das wir in der DDR besser aufgehoben sind als irgendwo anders auf der Welt. Alle jubeln, doch ihre Gesichter sind leer und verzweifelt.

2009. Jahre sind vergangen, ich habe die Mauer fallen sehen, habe Menschen gesehen die sich weinend in den Armen liegen, ich habe Menschen gesehen die unfassbarer Freude von einer besseren Zukunft ohne Überwachung und Stasi sprachen. Heute stehe ich wieder auf jenem Platz. Es ist ein sonniger Tag im August. Es sind nicht die gleichen Menschenmassen wie damals, aber dennoch jubeln sie. Diesmal weiß ich wer der Mann auf der Bühne ist. Gregor Gysi. Und wieder höre ich die gleichen gebetsmühlenartigen Predigen von Sozialismus und Klassenkampf, die gleichen Parolen, die gleichen Versprechungen. Und wieder jubeln sie. Ein Jugendlicher ruft von der Seite "..Mauermörderpartei!..." und wird daraufhin sofort von den Sicherheitskräften abgeführt. Die Menschen scheint dies nicht zu kümmern. Damals ward ihr verzweifelt, eure Gesichter leer und ausdruckslos und heute schaut ihr wieder nur zu, wenn Menschen für ihre freie Meinungsäußerung wie Verbrecher abgeführt werden? Wie konntet ihr so schnell vergessen?

Wolfgang Schäuble und die Stasi Akten


"Nach dem Ende des DDR-Regimes hätte Wolfgang Schäuble die Vergangenheit am liebsten ruhen lassen. Im Zuge der Wiedervereinigung habe er dafür plädiert, alle Akten der Staatssicherheit unbesehen zu vernichten, verriet der damalige und heutige Bundesinnenminister in einem Interview. „Ich habe dazu – genau wie Helmut Kohl – geraten, damit die Streitigkeiten der Vergangenheit nicht zu sehr den Wiederaufbau der neuen Länder und damit die Zukunft belasten“, sagt der CDU-Politiker der Zeitschrift „Super Illu“. „Wir haben dann aber den Wunsch der frei gewählten Volkskammer nach Aufarbeitung respektiert und eine entsprechende Regelung in den Einigungsvertrag aufgenommen. Rückblickend kann man sagen: Wir konnten uns das als größeres, vereintes Deutschland leisten.“ Hätte die DDR wie Polen oder Tschechien alleine den Weg in die Freiheit bewältigen müssen, wäre sie an dieser Form der Vergangenheitsbewältigung womöglich gescheitert, sagte Schäuble. Der CDU-Politiker fügte hinzu, dass trotz der Auswertung der Stasi-Akten „Verletzungen zurückbleiben“. Das sei unvermeidlich. „Viele Opfer des Systems beklagen nach wie vor, ihnen geschehe keine Gerechtigkeit. Gleichzeitig fühlen sich Stützen des damaligen Systems an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Etwas so Fürchterliches wie Teilung und SED-Diktatur wirkt leider nach, so lange Menschen leben, die dieses erlebt haben“, sagte Schäuble."

Quelle:welt.online

Die Methoden der Stasi - konspirative Festnahme



Geplant und vollends durchorganisiert ging die Stasi gegen unliebsame Bürger vor. Abgeschirmt und abseits der Öffentlichkeit wurden Menschen gegen ihren Willen willkürlich im wahrsten Sinne des Wortes, von der Straße weggefangen und verschwanden danach für Jahre in den Knästen der Unterdrücker.

Das Schicksal des Mario Röllig 1987



"Ich dachte, ich komme hier nicht mehr lebend raus."

Niemand wusste, wohin Mario Röllig verschwunden war. Mehr als drei Monate lang spielte die Stasi mit ihrem hilflosen Opfer: Endlose Verhöre, Einschüchterung, Schikane und das vielleicht effektivste Mittel der psychischen Folter, pure Isolation. Diese Tortur musste der junge Ost-Berliner 1987 im geheimen Stasi-Knast Berlin-Hohenschönhausen über sich ergehen lassen. Sein Verbrechen: Er hatte versucht, über Ungarn nach Westdeutschland zu fliehen. Schließlich verkaufte ihn die DDR an die BRD. Doch Jahre später, nach der Wende, holte ihn die Vergangenheit wieder ein.

Wir haben nichts vergessen - Die Opfer der Stasi Teil 2



DIE INHAFTIERUNG DER FAMILIE BEHRENS

Steckbrief (Angaben zum Zeitpunkt der Festnahme - 1984)

Name: Claudia Behrens (Namen geändert)
Wohnort: Gera

Am 9. Juli 2002 fand in Gera ein Gespräch mit Claudia Behrens statt, bei dem sie berichtete, dass sie sich in das System der DDR niemals richtig hineinleben konnte und deshalb einen Antrag auf Ausreise stellte. Eine Flucht wäre für sie jedoch niemals denkbar gewesen. Dennoch wurde Claudia 1984 wegen "Vorbereitung zur Republikflucht" zu zwei Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Wie konnte der Staatssicherheit ein solcher Fehler unterlaufen?




Die Anfänge

Schon im Alter von 17 oder 18 Jahren hatte Claudia durch die Zugehörigkeit zu einer "Clique" ihre ersten Kontakte mit der Staatssicherheit, denn was für Jugendliche heute ganz normal ist, war der Stasi damals "ein absoluter Dorn im Auge". 1974 wollte sie mit ihren Freunden nach Berlin zu den Weltfestspielen fahren. Doch die Stasi hatte Angst, dass das Festival vor allem von jungen Menschen als Anlass zu Demonstrationen gegen den Sozialismus genutzt werden könnte. Deshalb bekam Claudia ihren Ausweis entzogen und erhielt dafür einen sogenannten BM 12. Das war ein Schein, auf dem stand, dass sie den Umkreis ihres Wohnorts für den Zeitraum der Weltfestspiele nicht verlassen dürfte und sich jeden Tag um eine bestimmte Zeit bei der Polizei zu melden habe. Durch derart negative Erfahrungen bauten sich bereits im Jugendalter Wut, Frust und Hass gegen das Staatssystem auf.

Die Familie

Claudias Mutter war vom sozialistischen System wenig überzeugt, was sich auch in der Erziehung ihrer Tochter widerspiegelte. Durch Verwandtschaft in der BRD war ständig ein Kontakt zum Nachbarland gegeben und dadurch wusste Claudia auch wie "die andere Welt" aussah. Das uneingeschränkte Warenangebot und die Reisefreiheit stellten für sie schon damals einen ganz besonderen Reiz dar.

Ein Schlüsselerlebnis

Claudia zog 1975 nach Gera und bekam ein Kind, welches jedoch sehr krank war. Die Verbindung zwischen der Leber und der Galle war nicht richtig ausgebildet und in der Universitätsklinik in Jena konnte dieses Leiden nicht behandelt werden. Aber ein Professor erzählte ihr, dass in einer Klinik in Heidelberg, dem damaligen Westen, die nötigen Mittel zur Heilung zur Verfügung ständen und dass er alles versuchen wolle, ihrem Kind die Operation dort zu ermöglichen. Doch Claudia wusste sofort, dass sie die Stasi aus Angst, sie würde mit dem Kind nicht zurückkehren, niemals ausreisen lassen würde. So war es schließlich auch. Ihr Antrag wurde abgelehnt und das Kind verstarb im Alter von einem Jahr. Claudia stürzte in ein "absolut tiefes Loch". Kurze Zeit später lernte sie ihren Mann kennen und für beide war klar, dass sie die DDR endgültig verlassen wollten.

Das Missverständnis

Zur selben Zeit verliebte sich Claudias Freundin im Urlaub in einen Ungarn und wollte sich zu ihm ausschleusen lassen. Die Schleusung kostete 40.000 Westmark, doch sie bekam jeweils 1.000 Mark erlassen, wenn sie Adressen von Leuten angab, die die DDR eventuell auch auf diesem Weg verlassen würden. Aus diesem Grund nannte sie sieben verschiedene Adressen, unter anderem auch Claudias. Wenig später tauchte ein Mittelsmann bei Claudia auf und fragte sie, ob sie flüchten wolle. Doch Claudia erklärte ihm sofort, dass eine Schleusung für sie schon allein aus finanziellen Gründen nicht in Frage käme. Doch der Hauptgrund für die Ablehnung war das enorm hohe Risiko, welches mit einer solchen Flucht verbunden war. Claudia meinte: "Bei vielen hat's geklappt, [doch viele sind auch erwischt worden]." Da Claudia und ihr Mann außerdem einen Ausreiseantrag gestellt hatten, hofften sie auf diesem legalen Weg die DDR verlassen zu können. Kurze Zeit später hatte der Mittelsmann der Schleusergruppe einen Autounfall. Er war so schwer verletzt, dass er ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Dort fand man in seinem Socken einen Zettel mit einem Strichcode und für die Ärzte war klar: "Das ist ein Fall für die Stasi!" Selbige setzte ihn so unter Druck, dass er schließlich alle sieben Adressen angab. Das war im Februar 1984. Ab diesem Zeitpunkt bekam Claudia jeden Tag gegen 16 oder 17 Uhr Besuch von einem Stasi-Beamten. Schließlich machte er Claudia und ihrem Mann ein Angebot: Beide könnten sofort offiziell aus- und auch jederzeit wieder einreisen, wenn sie in der BRD für die Stasi arbeiten würden. Obwohl Claudia sofort mit einem klaren "Nein!" antwortete, versuchte die Staatssicherheit über drei Monate immer wieder, Claudia und ihren Mann für sich zu gewinnen. Im Mai 1984 fand dann eine regelrechte Verhaftungswelle im Raum Gera statt. Die Stasi inhaftierte in dieser Zeit fast jeden, der seine Unzufriedenheit mit dem Regime öffentlich bekundete. Man konnte sich als Antragsteller schon durch Kleinigkeiten verdächtig machen. Zum Beispiel durch Kerzen im Fenster. Claudia und ihr Mann trafen sich in ihrer Wohnung oft mit Gleichgesinnten, um gemeinsam Ausreiseanträge zu schreiben. Doch Claudia merkte bald, dass auch die Stasi diese Treffen mitbekommen hatte. Gegenüber ihrer Wohnung befand sich ein leerstehendes Haus, in dem sie abends oft das Licht einer Taschenlampe erkennen konnte. Ihr war klar, dass sie bespitzelt wurde. Immer häufiger bemerkte sie auch beim Einkaufen "einen Schatten" hinter sich. Überraschenderweise sagte Claudia: "Manchmal hat man dermaßen darüber gelacht! Die Idioten machten's auch noch so, dass du's mitbekamst!"

Die Verhaftung

An einem Morgen im Mai wurden Claudia und ihr Mann um 6.30 Uhr aus dem Schlaf gerissen. Vor ihrer Tür standen einige Beamten der Staatssicherheit, welche die beiden aufforderten, ihre Personalausweise zu holen und mit ihnen zu kommen. Da war Claudia sofort klar: "Nun ist es zu spät." Als die beiden nach unten geführt wurden, merkte Claudia, dass acht Leute von der Stasi im Haus verteilt waren. Im Interview sagte sie lachend: "Wegen uns zwei Männekiken!" In getrennten Autos wurden sie dann zum Gefängnis in der Amthorstraße transportiert. Als sich die Tore hinter ihr schlossen, wusste Claudia: "Du kommst hier nicht mehr raus." Am nächsten Tag erfuhr Claudia dann, dass sie wegen "landesverräterischer Agententätigkeit, Kontaktaufnahme zu einer kriminellen Menschenhändlerbande und Vorbereitung zur Republikflucht" angeklagt war.
Nach vier Monaten Untersuchungshaft erhielt sie ihre Anklageschrift. Die Gerichtsverhandlung, die generell unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, war nur "eine Farce". Es stand von Anfang an fest, dass Claudia und ihr Mann verurteilt werden würden. Sie bekam zwei Jahre und zehn Monate, ihr Mann drei Jahre Freiheitsstrafe. Der einzige Trost, den ihnen ihr Anwalt geben konnte, war, dass aus Erfahrung meist nur die Hälfte der Zeit verbüßt werden musste. Ihr Mann wurde nach Cottbus, Claudia nach Hoheneck in ein Frauenzuchthaus gebracht.

Im Gefängnis

Die Zustände dort waren katastrophal: 20 Frauen lebten in einem 40 qm großen Zimmer mit Drei-Etagen-Betten. Die einzige Waschgelegenheit war ein riesiges kuhtränkenähnliches Becken mit fünf Wasserhähnen. Für 20 Frauen waren zwei Toiletten vorgesehen. Warmes Wasser, geschweige denn eine Dusche gab es nicht. Jeden Tag wurde den Gefangenen nur eine Stunde "Freihof" gewährt. Die politischen Häftlinge, zu denen auch Claudia gehörte, wurden bewusst nicht von anderen Straftätern getrennt. In Claudias Zelle waren fünf politische Gefangene und fünfzehn Kriminelle untergebracht. Da in der DDR Verbrechen wie Mord verschwiegen wurden, war Claudia dementsprechend geschockt, als sie allmählich erfuhr, weshalb ihre Mitgefangenen eingesperrt waren. Sie schlief tatsächlich mit Frauen in einem Raum, die ihre Kinder misshandelt oder getötet hatten. Am schlimmsten für Claudia war es, zusammen mit einer Kriegsverbrecherin eingesperrt worden zu sein. "Die hatte in Buchenwald den toten Kindern die Haut abgezogen und Lampenschirme daraus gemacht", erklärte Claudia mit Entsetzen in der Stimme. Die Speise- und Getränkerationen wurden mit Hormonen präpariert. Claudia hatte in den fünfzehn Monaten ihrer Inhaftierung nur zwei Mal ihre Periode, war "aufgedunsen und aufgebläht". Die Frauen wurden auf diese Weise "ruhig gestellt" und die, die länger als zehn Jahre einsaßen, haben sich auch mehr und mehr zum Mann entwickelt: Die Brust war kaum noch zu sehen und allmählich begannen viele Frauen auch sich wie Männer zu benehmen und ihre "grobe Sprache" anzunehmen. Offen gestand Claudia: "Es war übelst! Als ich rausgekommen bin, [wollte ich] nie wieder Kontakt [zu Frauen]. Ich wusste nicht, ob ich jemals wieder eine Freundin haben kann. Was da an Sexspielen abgelaufen ist, die du notgedrungen mit ansehen musstest, ob du wolltest oder nicht!" Besonders deprimierend empfand Claudia das gemeinsame Waschen, bei dem sie dem unangemessenen Verhalten einiger lesbischer Mitgefangener schutzlos ausgeliefert war. "Doch das ist noch das Wenigste, was da abgelaufen ist", kommentierte sie dieses Erlebnis. Doch Claudia war stark und kämpfte gegen die Einflüsse innerhalb der Gefängnismauern an. "An mich kommt keiner ran. Mich macht hier [niemand] fertig!" Diese Worte betete sie sich ständig vor. Das letzte, was sie wollte, war sich ihr weiteres Leben kaputtmachen zu lassen, also versuchte sie "alles an [sich] abprallen zu lassen". Schließlich wusste sie, dass nach Absitzen ihrer Strafe die Freiheit auf sie wartete. Um die Gefangenen zu beschäftigen, wurde in Hoheneck in drei Schichten gearbeitet. Claudia war froh über diese Abwechslung, auch wenn sie den ganzen Tag nur an derselben Maschine saß und Knopflöcher stanzen musste. Sie erhielt dafür circa 40 Ostmark im Monat, bekam aber nur die Hälfte davon ausgezahlt. Der Rest wurde auf ein Konto überwiesen, über welches sie erst am Tag ihrer Entlassung verfügen konnte. Claudia durfte jeden zweiten Monat einmal Besuch empfangen. Sie wählte als Bezugsperson ihre Mutter, denn ein Wechsel der Besucher war nicht erlaubt. Doch das Zusammentreffen fand in einer ziemlich angespannten Atmosphäre statt. Durch eine Glasscheibe wurde jeglicher Körperkontakt zwischen Mutter und Tochter verhindert und eine Aufsichtsperson überwachte das Gespräch zusätzlich, denn Themen, die eine schlechte gesundheitliche Verfassung oder die miserablen Zustände im Gefängnis betrafen, durften nicht angesprochen werden. Claudia war es auch gestattet, einmal im Monat einen nicht mehr als eine Seite umfassenden Brief zu formulieren, den sie immer abwechselnd an ihren Mann und an ihre Eltern adressierte. Doch diese Briefe wurden auf die gleiche Weise zensiert wie die Gespräche. Claudia sagte dazu: "Du wusstest gar nicht, worüber du schreiben solltest. Nur: Mir geht's gut. Macht euch keine Sorgen. Ich liebe dich. Du hattest echt Probleme, die Seite vollzukriegen. Ich habe dann aber auch teilweise einen Code entwickelt, über den ich mich verständigen konnte." Erhielt Claudia ein Paket, so war es bereits geöffnet und der gesamte Inhalt durchsucht. "[Es war genauso,] wie man's aus Filmen kennt", so Claudia. Woche für Woche hoffte sie darauf, endlich freigelassen zu werden, denn einige Frauen wurden schon kurze Zeit nach ihrem Haftantritt entlassen, andere mussten ihre gesamte Strafe verbüßen.
Nach fünfzehn Monaten, also ungefähr der Hälfte ihrer Haftzeit, wurde schließlich auch sie abgeholt. Ob auch ihr Mann die Freiheit erlangte, wusste Claudia nicht. Normalerweise wurden Ehepaare zwar gemeinsam ausgebürgert, doch die Angst den Partner zurücklassen zu müssen, bestand dennoch. Bevor man die Häftlinge endgültig entließ, wurden sie noch einmal in der Abschiebehaft in Chemnitz zwischenstationiert. Drei Wochen lang teilte sich Claudia mit zwei Frauen eine Zelle, die gerade so groß war, dass zwei Doppelstockbetten, ein Waschbecken und eine Toilette hineinpassten. Doch Claudia wusste: "Jetzt geht's schnell. Jetzt geht's in ein paar Tagen Richtung Westen." Nach vierzehn Tagen sah sie ihren Mann wieder und beide bekamen die Staatsbürgerschaft der DDR aberkannt. Auf diese Weise wurde der Staat alle Andersdenkenden los und verdiente zusätzlich circa 80.000 Westmark an jedem Häftling, denn das war der Preis, den die BRD für die Befreiung zahlen musste.

Endlich frei!

Mit zwei Bussen wurden die inhaftierten Frauen und Männer in Chemnitz abgeholt und zur Grenze transportiert. Die Stimmung während der Fahrt war sehr angespannt, denn auf dem hinteren Sitz eines jeden Busses saß ein Stasi-Beamter mit einem Gewehr. Zusätzlich wurde der Konvoi von mehren Einsatzwagen begleitet. Doch kaum war die Grenze überwunden, jubelten alle Häftlinge ausgelassen. "Du konntest es gar nicht fassen, [...] vom Knast plötzlich in die Freiheit! Wir haben alle geheult!" erinnerte sich Claudia. Auf einem Parkplatz stiegen dann Leute aus dem Gießener Auffanglager ein und begrüßten die neuen BRD-Bürger. In Gießen selbst konnte dann jeder angeben, wo er hinwollte. Claudia und ihr Mann wählten Hamburg als ihre neue Heimat aus.

Nach der Wiedervereinigung kehrte Familie Behrens nach Gera zurück, denn wie so viele erhoffte auch sie sich die Möglichkeit im Osten eine eigene Firma zu gründen.